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>_ Willkommen zu Blue Hood: 0rigins – Folge 1:

„Wenn du das hier liest, hat der Plan entweder geklappt, oder irgendwer hat einen Weg in meinen Server und durch mein Labyrinth an Sicherheitsvorkehrungen gefunden. Ich schreibe diese Zeilen, um Struktur in meinen Kopf zu bringen. Denn das Chaos, das wir verursacht haben, hat auf einem anderen Level Wellen geschlagen. Eines das nicht mal ich mir vorstellen konnte.

Aber vielleicht sollte ich mich erstmal vorstellen: Hi, ich bin Luke. Programmierer und der Architekt hinter diesem Chaos.

Alles begann, als ich mein Zuhause gegen einen gierigen Großkonzern verteidigen musste, und dabei sehr mächtige Menschen auf mich aufmerksam wurden. Die Art von Aufmerksamkeit, die man lieber nicht auf sich zieht...

Aber gehen wir zurück zum Anfang, dem Tag, an dem sich mein Leben auf den Kopf stellte.“

1. Lukes Zimmer – 11:00 Uhr


Ein 23-jähriger Mann rollte durch einen ruhigen Flur, dessen Luft nach frischem Kaffee und Brot roch. Er trug Brille und ein gebügeltes, blaues Hemd mit interessanten Mustern und weißen Manschetten. Seine Werkzeugtasche war locker über die Rückenlehne seines Rollstuhls geschwungen.

Er öffnete Lukes Zimmertür und erblickte einen Raum, der von der Vormittagssonne in schmalen Streifen durch die halb geschlossenen Jalousien beleuchtet wurde; die Sonne zeichnete helle Linien auf alte Hardware. Staub tanzte in der Luft. Das Zimmer, rund zwanzig Quadratmeter groß, wirkte wie ein Hybrid aus Jugendzimmer und Rechenzentrum.

In der Ecke blinkte ein kleiner Server – das Herzstück eines selbstgebauten Intranets. Mehrere ausgemusterte PCs waren notdürftig über Switches, alte Router und kreuz und quer verlegte Ethernetkabel miteinander verbunden.

Wer hier barfuß herumlief, spielte Russisches Roulette mit Netzteilen, offenen Steckern und heißgelaufener Hardware. Ein einziger falscher Schritt konnte sowohl den Schmerz eines Legosteins als auch einen Systemabsturz auslösen.

Mitten im Raum saß Luke, ein 20-jähriger Autist, der konzentriert durch seine Brille auf das Terminal seines Laptops blickte. Der Code rauschte Zeile für Zeile über den Bildschirm, während er per Terminal etwas am Server konfigurierte. Seine Finger flitzten über die Tastatur – präzise wie ein Uhrwerk. Er trug eine dunkel blaue Kapuzenjacke und Active-Noise-Cancelling-Kopfhörer, nicht für Musik, sondern um die Welt leiser zu drehen. Für Luke war Pünktlichkeit kein Zeichen von Höflichkeit, sondern ein logisches Prinzip. Wenn sich dreißig Menschen trafen und einer zwei Minuten zu spät kam, bedeutete das eine Stunde verlorene Lebenszeit – verteilt auf alle anderen. Für ihn war das reine Mathematik. Für seine Freunde, jedoch, war es pedantischer Wahnsinn. Doch so übertrieben sein Verständnis auch wirkte, Luke kam nie zu spät.

Luke hatte breite Holzplatten über die Kabelstränge gelegt damit Ben sich reibungsloser durchs Zimmer bewegen konnte.

Als Ben vorsichtig durch dieses Minenfeld über den hölzernen Weg navigierte, warf er kurz einen Blick auf seine Uhr.
„Elf Uhr. Punktlandung.“ Dann schaute er Luke an. „Sag mal, hast du schon ohne mich angefangen?“

Luke, der schon seit einer halben Stunde am Laptop saß, schaute Ben an und antwortete wie ein Roboter, dem zwei Fragen auf einmal gestellt wurden. „Korrekt. Also, für dich. Für Mia hab ich 10:55 gesagt.“ „Und ja, ein bisschen, aber keine Sorge, ich hab nur die Hardware hier reingeschleppt. Dir hab ich den Server und das Netzteil überlassen, das Netzteil hat glaub ich Start Schwierigkeiten, keine Ahnung. Ist dein Metier."

Ben zog die Augenbrauen hoch, er war nun auch etwas überfordert mit dem doppelten Gespräch. „Du hast ihr ’ne falsche Uhrzeit geschickt?“ „Und zweitens, danke für die Hilfe, ich freu mich schon drauf!“

„Nicht falsch. Angepasst. Und gerne.“ Luke klappte die Jalousie ein Stück weiter herunter, damit das Licht exakt in einem 45-Grad-Winkel auf den Schreibtisch fiel. „Sie braucht Puffer. Selbst wenn sie fünf Minuten zu spät ist, ist sie immer noch pünktlich.“

Ben schmunzelte und parkte neben dem improvisierten Server-Rack. „Also hat sie quasi ’ne eigene Mia-Zeitzone zwischen zehnfünfundfünfzig und elf?“

Luke tippte weiter ins Terminal. „Korrekt. Aber schon sechs Minuten zu spät sind … zu spät.“

„Und was wäre mit, sagen wir, drei Stunden und zweiundvierzig Minuten?“

„Keine Ahnung, wie du darauf kommst, aber das wäre inakzeptabel.“

Ben lachte leise. „Ich sag dir eins: Wenn sie irgendwann mal früher auftaucht, kollabiert dein ganzes System.“

„Unwahrscheinlich.“ Luke schob die Kopfhörer zurecht. „Sie ist ein deterministisches Chaos.“

Angekommen an seiner Werkbank, fing Ben an, an einem improvisierten Server-Rack herum zu schrauben. Er hatte sich, anders als Luke, lange vor seinem Unfall auf Hardware spezialisiert, und trotz seines Rollstuhls nie damit aufgehört. Er kam zwar nicht in jede Ecke, aber dafür erfand und baute er sich kleine Roboter die ihm halfen oder er bat einfach seine Freunde um Hilfe. Ben übernahm die Systemadministration des Projekts. In den Fingern hielt er einen Schraubendreher, das Multimeter lag griffbereit auf seinem Schoß und seine Werkzeugtasche lag, neben dem Servergehäuse, geöffnet auf der Arbeitsfläche.

Ein paar Stunden später waren die beiden tief in ihren Aufgaben und in einem meditativen Flow Zustand angekommen. Luke wurde von einem Netzwerkfehler aus der Ruhe gerissen. Er schaute kurz zwecks der Orientierung auf seine Uhr – es war exakt 13:37 – man war die Zeit vergangen, dachte er sich. Da er das Netzwerkproblem nicht alleine lösen konnte, blickte er kurz von seinem Laptop auf:
„Ähm, Ben? Ich komm nicht mehr auf den PC Nummer drei, bei dir in der Ecke. Ist der down?“

Ben war auch in seiner Welt versunken und antwortete, ohne hochzusehen:
„Komisch.. Eigentlich nicht. Hast du ihn schon gepingt? Oder ...? Aus- und wieder eingeschaltet?“

Luke reagierte mit seinem trockenen Humor: „Sehr witzig. Nein, ich kann ihn nicht pingen, weil er nicht erreichbar ist. Schau mal nach.“

Ben überlegte, woran es liegen könnte: „Hm. Vielleicht ein lockeres Patch-Kabel.“

Er beugte sich vom Server rechts neben sich rüber zum Client-PC auf seiner linken Seite. Auf den ersten Blick sah alles normal aus – die Kabel saßen fest. Doch dann ...

„Also, optisch passt’s. Aber … warte mal. Der Sicherungsschalter am Netzteil ist aus.“

Kurze Pause.

„Luke, hast du vergessen, den wieder anzuschalten?“

Luke runzelte die Stirn: „Hä? Wie denn? Der steht doch bei dir. Ich fass deine Hardware nicht an.“

Dann kontert er mit einem leichten Grinsen: „Probier’s doch mal mit Aus- und wieder Anschalten.“

Ben schob sich die Brille mit dem Mittelfinger hoch: „Du, mich auch.“

Ein paar Sekunden später hörte man ein leises Surren.

Luke testete erneut die Verbindung. „Wunderbar. Wieder online.“ Und er war zufrieden.

Die Zimmertür flog auf.

Ein Schwall Sommerluft verdrängte den abgestandenen Geruch von Technik im Raum, irgendwo im Flur klackten Skateboard-Rollen gegen den Türrahmen. Eine halb geöffnete Energy-Dose zischte leise, als sie abrupt zum Stehen kam.

Mia trat ein, als würde sie den Raum besitzen. Luke und Ben waren von ihrem Auftreten mittlerweile kaum beeindruckt.

Sie war 22 Jahre jung, und ihre blonden Beach Waves mit pinken Spitzen fielen ihr ins Gesicht, während sie sich lässig die Sonnenbrille von der Stirn nahm. Ihre Bewegungen waren locker, als wäre es ihr egal, ob sie auffällt. Der dunkelblaue Crop-Top-Hoodie war bequem, ihre Jeans durch nächtliche Fahrten auf dem Longboard gezeichnet. Das Longboard selbst war beklebt mit rebellischen Stickern.

In ihren Augen lag dieser Funke, der jedes System provozierte, das zu starr war, um sich zu bewegen.

Sie nahm einen Schluck aus der Dose, ließ sich zwischen einem Tower und einem Karton alter Mainboards auf den Boden plumpsen und überflog den Raum mit einem schiefen Grinsen.

Mia fragte mit einem grinsen: „Na, hab ich was verpasst? Oder retten wir wieder mal das freie Internet aus dem Kinderzimmer raus?“

Luke schaute auf seine Uhr, warf Ben einen ungläubigen Blick zu und sagte dann genervt zu Mia: „Du hast drei Stunden und zweiundvierzig Minuten verpasst.“

Ben musste bei Lukes Blick und diesem witzigen Zufall schmunzeln.

Mia schlürfte an der Dose: „Ich weiß, sorry, hatte ne echt lange Nacht.. .“

Ben hob eine Augenbraue, ohne vom Schraubendreher aufzublicken: „Hat dich die Technik oder ein Mensch wachgehalten?“

Mia blinzelte unschuldig:
„Ein bisschen von beidem, aber eine Lady schweigt und genießt.“

Dann wurde sie etwas ernster:
„Außerdem gabs 'nen Notfall, ich hab 'ner Nachbarin den PC von 'nem Phishing-Angriff befreit, das war so ein komisches Lade dir das Spiel runter und bekomme 1.000€. Da dachte sie sich, sie könne ihre Rente aufbessern. Mieten steigen ja auch wieder. Ich hab jedenfalls den PC sauber gemacht und Backups, 2FA und Bitdefender eingerichtet. Jetzt soll sie mir lieber zehnmal schreiben, wenn sie unsicher ist, statt sich noch einmal ’nen Virus einzufangen.“

Ben überlegte kurz wann er seine letzte Phishing Mail hatte: "Ach krass na das war echt ne lange Nacht, ja diese Scammer finden leider immer wieder ihre Opfer, da muss es mehr Hilfe geben - so ’ne Hotline oder Anlaufstelle, wo jemand mal wirklich erklärt, was man tun kann, bevor man alles verliert."

Mia überlegte: "Ja, total. Und mehr Aufklärung – nicht nur für Kids, sondern auch für Ältere. Ich hatte auch schon überlegt, was auf Tracebook zu posten, so ’ne kleine Warnung mit Screenshots und ’ner Schritt-für-Schritt-Erklärung. Vielleicht trauen sich dann mehr Leute, drüber zu reden, statt sich zu schämen.“

Ben fand Mia's Impuls richtig gut: „Mach das! Selbst wenn das nur eine Oma sieht und dadurch nicht auf den nächsten ‚Gewinnspiel-Link‘ klickt, hast du schon gewonnen.“

Mia grinste und nahm sich einen Schluck Energy: „Genau das. Wenn schon Social Media, dann wenigstens sozial.“

Sie stellte das Longboard an die Wand und kickte eine lose Kabelschlaufe mit der Fußspitze zur Seite.

Mia wollte sich auf den neuesten Stand bringen: „Und, wie läuft’s bisher?“

Ben antwortete, ohne aufzublicken: „Frag ihn. Ich durfte gerade seinen Rechner retten.“

Mia wusste nicht ob sie sich verhört hatte und musste nachfragen: „Warte. Luke hat ein technisches Problem nicht selbst gelöst? Das muss ich für die Nachwelt festhalten!“

Luke redete leise, während er weiter ins Terminal tippte: „Physikalisches Problem. Kein Softwarefehler.“

Mia grinste und wollte Luke etwas necken: „Klingt nach einem harten Schlag für dein Ego. Aber hey – wenn der Layer-1 tot ist, kannst selbst du auf Layer-7 nix mehr retten.“

Luke sah kurz auf. „Touché.“

Ben antwortete trocken: „Und jetzt ist er wieder online. Also: Welt gerettet. Hast du Kaffee mitgebracht?“

Mia hatte im Stress vergessen Kaffee mit zu bringen: „Kann ich dir besorgen, wenn’s auch WLAN gibt.“

Luke hielt den Blick auf den Laptop gerichtet und sagte: „SSID: BlueNet, Passwort hast du. DHCP läuft wieder.“

Mia verband sich mit dem Netzwerk: „Perfekt. Ich bin drin. Wo kann ich helfen?“

Ben grinste und schob sein Werkzeug beiseite: „Check mal bitte die Verbindung zu Client Drei. Der zickt rum seit dem Reboot.“

Mia nickte, beugte sich über den Bildschirm und fing an zu tippen: „Mach ich. Und wenn der wieder stabil läuft, besorg ich euch den Kaffee als Belohnung.“

„Cool danke, und ein paar Snacks wären auch nice. Wenn wir hier gleich fertig sind, haben wir uns alle das echt verdient.“ sagte Ben.

„Alles klar, nehme ich mit aus der Küche.“

Ein paar Minuten vergingen, während Mia sich durch die Netzwerkeinstellungen arbeitete. „Sag mal, wie viele Switches habt ihr eigentlich zwischen mir und dem PC Nummer drei?“

Ben schaute sich um und zählte laut mit. „Hmm, ähm... shit, das sind echt ein paar zu viele. Vielleicht hat einer ein lockeres Kabel?“

Mia folgte den Kabeln mit den Augen. „Jap, daran dachte ich auch gerade. Das ist ja fast wie bei einer alten Lichterkette - wenn eine Glühbirne ausfällt, ist alles tot.“

Sie hockte sich hin und verfolgte die Leitung weiter bis zu einer der Holzplatten. Da fiel ihr sofort etwas auf: „Schau mal hier! Unter der Platte hat sich ein Kabel gelockert!“

Tatsächlich: Die Holzabdeckung hatte sich leicht verschoben, und darunter stauten sich die Kabel. Diese Kabel hatten den Stromanschluss vom Switch verdrängt weswegen dieser nur noch sporadisch Strom bekam – die kleinen LEDs flackerten im unregelmäßigen Takt.

Ben beugte sich vor, um einen Blick zu erhaschen. „Mist, du hast recht! Luke und ich rätseln schon seit Stunden deswegen!“

Mia grinste: „Na siehst du, frische Augen helfen. Aber sag mal - ihr habt echt noch keine Pause gemacht, oder?“

Luke und Ben sahen sich an, als hätte sie gerade ein völlig neues Konzept erfunden.

Mia schüttelte lachend den Kopf: „Ich hol euch lieber was zum Essen, bevor einer von euch noch in den Kabelsalat kippt.“

Sie stand wieder auf, zog sich das Haar zurück und warf einen letzten Blick auf die beiden Jungs, die sich in ihrer technischen Parallelwelt eingerichtet hatten.

Als Mia das Zimmer verließ, lag der Flur ruhig da, durchzogen vom Geruch nach altem Holz.

Der Duft von gerösteten Bohnen und frisch gebackenem Brot empfing sie, als sie die Küche betrat.

Melina stand am Küchentisch, eine dampfende Tasse in der Hand, den Blick auf einen in die Jahre gekommenen Laptop gerichtet. Der Bildschirm war voll mit komplexen Tabellen, Zahlenkolonnen und bunten Grafiken. Ihr Ausdruck war fokussiert – bis sie Mia bemerkte. Da schmolz die Konzentration von ihrem Gesicht, und es trat ein mütterliches Lächeln hervor.

Melina war Mitte vierzig, mit schulterlangen braunen Haaren, die sie zu einem praktischen Pferdeschwanz gebunden hatte. Sie trug eine bequeme Jeans und ein weiches, graues Strickoberteil. Ihre Augen strahlten Wärme und Verständnis aus – die eines Menschen, der schon viel erlebt hatte.

„Hm, Mia? Schon wieder zurück?“, fragte sie, während sie den Laptop mit einer fließenden Bewegung zuklappte – beiläufig, aber doch entschieden.

„Ja, ich hole Kaffee und ein paar Snacks als Nervennahrung fürs Team.“ erklärte Mia.

„Ach so, ja. Du weißt ja, wo alles ist. Fühl dich wie zu Hause.“

Ein Satz, der witziger kaum hätte sein können, denn Mia fühlte sich hier längst wie zu Hause. Seit ihrer Kindheit ging sie hier ein und aus. Melina war für sie die Mutter, die sie nie hatte.

„Und, wie sieht’s bei den Jungs aus? Lassen sie das Netz stehen?“ erkundigte sich Melina.

„Ja, alles gut. Luke und Ben hatten ein, zwei kleinere technische Probleme, aber nichts Dramatisches.“

Sie unterhielten sich beiläufig, während Mia Kaffee aufsetzte und durch die Schränke ging, um ein paar Snacks herauszusuchen. Dabei nahm sie sich ein Kaugummi aus einem Fach und steckte es sich in den Mund.

Mia schaute zum geschlossenen Gerät bei Melina während sie anfing das Kaugummi zu kauen: „Sag mal, was machst du da eigentlich auf dem Laptop?“

Melina deutete auf das geschlossene Gerät: „Das? Ach, nur ein paar Excel-Tabellen mit Datensätzen. Nichts Interessantes.“

Die Antwort kam schnell, fast zu schnell. Mia wunderte sich einen Moment lang, warum Melina das Gerät so beiläufig zugeklappt hatte – als gäbe es etwas, das man besser nicht sah.

Doch sie ließ den Gedanken ziehen, wie den Dampf über der Tasse.

Sie bedankte sich, nahm das Tablett mit den Tassen und den Snacks und machte sich wieder auf den Weg ins digitale Hauptquartier.

Zurück in Lukes Zimmer - wenige Minuten später.

Mia balancierte das Tablett mit drei dampfenden Tassen und einer Schale Chips durch den Türrahmen, während die Jungs noch tief über ihre Arbeit gebeugt waren. Der Duft von frischem Kaffee mischte sich mit dem warmen Elektronikgeruch.

„Ich bringe Geschenke! Koffein, Kalorien und Aufmerksamkeit - genau in dieser Reihenfolge.“

Ben grinste, ohne vom Schraubendreher aufzusehen: „Du bist ein Geschenk für die Menschheit.“

„Aww, danke, Ben!“ Mia freute sich über die lieben Worte.

„Wenn ich jetzt Kaffee trinke, bereuen wir das um drei Uhr morgens..“ reagierte Luke auf den Kaffee.

Mia konterte: „Wir sind doch eh alle Nachteulen.“

Ben warf Ihr einen Blick zu - beide dachten an die letzte Nacht, in der Luke ununterbrochen gearbeitet hatte. Er machte sie damals wahnsinnig weil sein Gehirn auf Hochtouren lief und im Minutentakt neue Ideen ausspuckte. Sie seufzten synchron und nahmen ihm vorsichtshalber die Tasse weg.

Sie stellte das Tablett auf einen freien Platz zwischen zwei Kabelsträngen ab, während Ben weiter konzentriert an einem offenen Netzteil werkelte. Das Metallgehäuse lag freigelegt auf dem Tisch, und Kabel ragten wie Adern heraus.

Mia fragte nach einem Zwischenstand: "Uund, wie siehts bei euch aus?"

Luke war zu sehr beschäftigt, um zu antworten. Ohne von dem Netzteil, an dem Ben gerade arbeitete, wegzusehen, antwortete er schließlich genervt: "Von diesem verdammten Netzteil zum zweiten Mal die Sicherung ersetzen." Er wirkte etwas frustriert.

Ohne das Netzteil vorher vom Strom wieder getrennt zu haben, versuchte Ben mit einem Schraubendreher die alte Sicherung aus der Fassung zu befreien. Diese sprang leichter raus als erwartet und flog nun unkontrolliert durch die Luft. Luke und Ben zuckten instinktiv zurück, doch es war bereits zu spät.

Für einen kurzen Moment flog die Sicherung wie ein glänzender Propeller durch die Luft und landete mit einem unheilvollen Knacken in einem Bündel elektrischer Komponenten.

Luke wurde mit einem lauten Knall und einem hellen Funken aus der Trance gerissen, und Mia verschluckte sich vor Schreck an ihrem Kaugummi.

Die Monitore zuckten und starben. Die LEDs an den Switches erloschen.

Der Lüfter verstummte.

Sogar das Licht im Flur ging aus.

Es lag eine Stille in der Luft. Diese Stille wurde jedoch sehr schnell unterbrochen, als aus einem anderen Raum ein wütender Schrei zu hören war.

Nur die Sonne fiel unbeeindruckt weiter durch die Jalousien und ließ den Rauch, der langsam aus dem Netzteil aufstieg, wie Nebel über einem Schlachtfeld aus Platinen und Kabeln aussehen.

Ben erstarrte mit weit aufgerissenen Augen und dem Schraubendreher immer noch in der Hand. Er sagte kleinlaut: „Ups.“

Mia blinzelte vorsichtig und hob langsam eine Augenbraue: „Bitte sag mir, dass das nicht der Kaffee war.“

Luke trocken, während er prüfend seinen geschockten Laptop anstarrt: „Systemausfall. Komplett. Glückwunsch, Ben. Verdammt, ich hab’s dir doch gesagt!“

Ben starrte auf das qualmende Netzteil, hob beschwichtigend die Hände und versuchte die Situation mit Humor zu lösen: „Okay ... war ein kleines Missgeschick. Ich hab nur kurz die Fassung verloren. Sozusagen. Ich wusste doch nicht das die Sicherung so leicht nachgibt!“

Mia konterte sarkastisch: „Klar. Und gleich kommt der TÜV zur Abnahme, oder was?“

Aus der selben Richtung aus der vor ein paar Sekunden noch ein wütender Schrei zu hören war, kamen nun stampfende Schritte und kurz darauf ein energisches Klopfen an der Tür. Die Gruppe verdrehte die Augen.

Allen war klar, dass sie soeben zum dritten Mal in zwei Wochen die Sicherung für den gesamten Hausflur ausgelöst hatten. Melina riss mit Schwung die Tür auf.

Ihre Augen waren zusammengezogen, der Blick messerscharf. Kurz ließ sie ihn durch das Zimmer wandern – über den Rauch, die aufgeschraubte Hardware, das Chaos auf dem Boden, bis sie alle drei nacheinander fixierte. In der Hand hielt sie einen feuchten Lappen, mit dem sie gerade noch ihren Herd geputzt hatte.

Selbst Luke konnte ihr ansehen, dass sie sehr sauer war. Diesmal war sie allerdings nicht so gnädig wie die Male zuvor. Sie kommandierte: "Seid ihr komplett wahnsinnig? Der Strom ist weg! In der ganzen Wohnung! Was habt ihr da schon wieder angestellt?!"

Ben erwiderte kleinlaut: „Es war ein Versehen … Die Sicherung ist raus geflogen und hat einen Kurzschluss verursacht.“

Melina waren die Details egal: "So kann das nicht weitergehen! Ich kann nicht jedes Mal erklären, warum meine Wohnung wie eine verdammte IT-Werkstatt qualmt. Was sollen denn die Nachbarn von mir denken!? Letztes Mal ist unser Vermieter Herr Jensen deswegen im Aufzug stecken geblieben!"

Luke fragte vorsichtig nach: „Heißt das …?“

Melina versuchte sich zu beruhigen und es mit Ruhe für Luke zu erklären: „Heißt: Ihr packt euren Kram. Heute noch. Sucht euch einen Ort, wo euch kein Sicherungskasten um die Ohren fliegt. Und wo nicht jedes Kabel über meinen Fußboden verläuft.“

Luke nickte kurz, um seiner Mutter zu zeigen, dass er sie verstanden hatte.

Ben nickte schuldbewusst. „Verstanden.“

Mia atmete durch: „Okay.. Dann finden wir was. Wir wollten uns ja eh was Eigenes aufbauen, oder?“

Melina wurde etwas weicher, als sie merkte, dass ihre Ansage angekommen war: „Ich hab euch gern hier. Aber das hier … das geht zu weit.“

Luke sagte kurz angebunden: „Wir kümmern uns drum.“

Melina nickte, drehte sich wortlos um und verschwand zurück in den Flur. Ihre Schritte klangen schwerer als beim Kommen.

Als der Sturm zu Ende war, fingen sie an über einen passenden Ort zu diskutieren.

Ben lehnte sich zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt: „Okay, wir brauchen ’nen neuen Unterschlupf. Ideen?“

Mia setzte sich auf die Fensterbank, balancierte eine Chipsschale auf dem Knie und fing an Chips zu essen: „Hab da so 'ne romantische Lagerhalle im Kopf. Tauben, Pfützen, Graffiti. WLAN, eher so imaginär.“

Luke konterte mit seinem trockenen Humor: „Wenn du ‚romantisch‘ sagst, meinst du ‚abgeschieden, dunkel und illegal‘, oder?“

Mia versuchte, es positiv darzustellen: „Korrekt. Aber hey, der Sound von tropfendem Wasser hat was Meditatives.“

Ben versuchte, es mit Humor zu nehmen: „Und wenn’s nicht tropft, pfeift der Wind durch die Wände. Klingt wie ein kostenloses White Noise-Abo.“

Luke wurde wieder ernster: „Viel zu offen. Wir brauchen Netz, Strom und Ruhe. Nicht Düsternis und Fledermäuse. Wir sind nicht Batman und brauchen auch keine Batcave.“

Mia überlegte weiter: „Ich könnte in der Bar fragen, ob man den Lagerraum hinten nutzen darf. Also, wenn der Chef nicht gerade 'nen miesen Tag hat.“

Ben hatte seine zweifel bei Mia's Idee: „Sicher, dass du da neutral bleibst? Oder weckt das zu viele Erinnerungen an deinen Barfreund von gestern Nacht?“

Mia grinste beim Gedanken an letzte Nacht: „Hmm, ja, ich sollte wohl meine beiden Leben trennen.“

Luke schaute auf seinem Notizpad durch eine Liste: „Stadtbibliothek?“

Ben verzog das Gesicht: „Nur, wenn wir flüstern und alle fünf Minuten den Platz wechseln.“

Mia lachte: „Klingt, als ob du da Erfahrung hast.“ „Oder warte, was ist mit dem Park um die Ecke? Da gibt's sicher irgendwo ein öffentliches WLAN.“ überlegte sie laut.

Ben hatte seine Bedenken: „Und die Chance, von einem Eichhörnchen beklaut zu werden. Ich pass auf mein Toolkit auf, danke.“

Luke überlegte: „Das Bit Brew, vielleicht? Die haben eine stabile Leitung und guten Kaffee. Und tagsüber ist’s meistens ruhig.“

Mia blinzelte überrascht: „Das Hipster-Café mit der Bohnenphilosophie auf der Speisekarte?“

Ben kommentierte: „Na ja, besser als Taubenschiss und Tropfsteinhöhlen.“

Luke rechtfertigte sich: „Ist nur für einen Nachmittag. Zum Sammeln und Nachdenken. Vielleicht finden wir ja was Langfristiges.“

Mia sagte grinsend: „Fein. Dann zieh deinen Hoodie glatt, Luke, wir betreten die Außenwelt.“

Ben packte sein Multimeter ein: „Wenn wir Glück haben, denken sie, wir sind ein Tech-Startup für Arme.“

Luke nahm die USB-Sticks vom Tisch und steckte sie ein: „Oder Kids mit zu teurem Spielzeug. Egal. Los, jetzt.“

Als sie ihre Sachen gepackt und die Wohnung verlassen hatten, zogen die drei schweigend durch den Flur. Nur das leise Klacken von Bens Rollstuhl und das Rascheln von Kabeln in Mias Rucksack füllten die Stille.

Dann lachte Mia leise, halb aus Frust, halb aus Nostalgie: "Und ich dachte, nach der Schule wären wir durch mit solchen Aktionen."

Ben wurde auch nachdenklich: "Wir lernen einfach nie draus."

Luke sah nach vorne und erwiderte: "Naja ganz so schlimm ist es auch nicht, wir haben immerhin nicht schon wieder das Schulnetz abgeschossen und wir können auch jetzt draus lernen."

Er machte eine kurze Pause, dann sagte er: "Fehler sind immerhin dafür da um zu lernen und schlauer zu werden. Fehler machen ist okay und sie gehören dazu, wir dürfen sie halt nicht wiederholen, das wäre dumm."

Mia und Ben schauten ihn zustimmend an. Und die drei mussten trotz allem lächeln. Für einen Moment fühlte es sich an wie früher:
Drei Kids, ein Haufen Schrott und der Glaube, dass man aus Chaos etwas Neues bauen kann.

2. Draußen vor dem Bit Brew Café

Ein leichter Wind wehte durch die Straße, während die Sonne durch eine dünne Wolkendecke stach. Vor dem Bit Brew Café sammelten sich einige verärgerte Gäste, die mit Laptops unter dem Arm nach draußen traten. Man hörte vereinzelt Gemecker und das Klacken von Tasten, als jemand frustriert versuchte, das Gerät herunterzufahren.

„Ohne Internet kann ich nicht arbeiten! Und das WLAN bricht andauernd ab …“, murmelte ein junger Mann, bevor er sich genervt abwandte und in Richtung S-Bahn schlenderte.

Ben beobachtete das Ganze vom Gehweg aus, schob die Brille hoch und verzog das Gesicht. „Das klingt gar nicht gut…“

Mia, die mit verschränkten Armen neben ihm stand, schüttelte genervt den Kopf. „Wir stolpern heute echt von einem Problem ins nächste.“

Luke, der auf sein Handy starrte, runzelte die Stirn. „Vielleicht war der Stromausfall doch weitreichender…?“

Mia seufzte hörbar und ließ ihre Schultern fallen. „Lass uns erstmal reingehen.“

Im Inneren empfing sie eine Mischung aus warmem Kaffeeduft und leiser Indie-Musik. Trotz des WLAN-Ausfalls waren noch ein paar Gäste geblieben – einige lasen Zeitung, andere schauten aus dem Fenster. Das Interieur war gemütlich: Holztische, freiliegende Backsteinwände, Pflanzen an den Fensterbänken.

Die drei suchten sich einen freien Tisch in der Nähe der Fenster. Luke schob mit konzentrierter Miene die Speisekarte und ein paar Flyer zur Seite und sortierte alles ordentlich, bevor er sich setzte und seinen Laptop auspackte. Mia zog einen Stuhl zur Seite, um für Bens Rollstuhl Platz zu schaffen.

Mia bemerkte eine junge Frau die hinter dem Tresen stand. Sie war etwa Anfang zwanzig, mit blonden, lockeren Haaren und einer leichten Sommerbräune. Ihre Sommersprossen waren trotz der Indoorbeleuchtung gut sichtbar, und das hellblaue T-Shirt mit dem Aufdruck „Coffee powered“ wirkte, als sei es ihr Lieblingsstück. Gerade diskutierte sie mit einem älteren Mann über das schlechte WLAN. Während sie gestikulierte und immer wieder auf das Tablet tippte, das offenbar keine Verbindung bekam, schien er eher abwesend zu nicken. Er wirkte etwas altmodisch und schien sich wenig für das technische Problem zu interessieren, als würde er sich die „guten alten Zeiten“ zurück wünschen, in der das Leben und die Welt noch ohne dieses Internet funktionierte.

Wenig später kam die junge Frau mit einem Notizblock und einem leicht verlegenen, aber höflichen Lächeln an den Tisch. Ihre Stimme war freundlich, aber man hörte ihr die Erschöpfung an.

„Hi, ich bin Zoe, was darf’s für euch sein?“

Mia lehnte sich leicht nach vorne, ihre Stimme wurde weich: „Hi Zoe, ich bin Mia, und ich nehme einen Cappuccino … Und apropos, ich hab gehört, euer WLAN macht Probleme?“

Zoe seufzte und warf einen genervten Blick in Richtung des Tresens. „Ja, das Teil spinnt seit Tagen. Wir kriegen es nicht stabil und die Kunden gehen schon.“

Mia grinste. „Na, da könnten wir euch helfen.“

Luke hob den Kopf vom Laptop: „Mia, wollten wir nicht nach einer Location suchen?“

Mia zwinkerte: „Ich weiß, aber hier können wir helfen! Außerdem hat ein kleines Netzwerk-Upgrade noch niemandem geschadet. Und wer weiß, vielleicht ergibt sich ja was.“

„Mag ja sein, aber..“ Luke zögerte, weil er sich eigentlich auf das Vorhaben konzentrieren wollte und Mias spontane Ader für Side-Quests ihm zu chaotisch war.

Zoe beobachtete die Gruppe, während Mia und Luke tuschelten. „Laptops, selbst gebastelte Platinen, jede Menge USB Sticks, ich sehe, ihr seid Nerds..“

Mia grinste stolz. „Stimmt, und wir lösen gerne Probleme.“

Luke murmelte leise vor sich hin: „Wir wollten doch erst unser Problem lösen..“

Ben, der sich mittlerweile ein wenig bequemer positioniert hatte, beugte sich zu Luke, der sich hinter seinem Laptop konzentrierte, und sagte leise mit einem Grinsen. „Ja, aber ist doch nur WLAN, Luke, nicht Mission Impossible.“

Luke antwortete leise hinter seinem Laptop. „Ja, klar, und auf einmal fängt das Ding an, im Dunkeln grün zu leuchten..“

Während Mia und Zoe angeregt plauderten, bekamen sie gar nicht mit, was Luke und Ben am Laptop machten.

Zoe hob die Augenbrauen. „Also, ich kann eben meinen Chef fragen, ob ihr mal kurz draufschauen dürft. Ich kann aber nichts versprechen.“

„Mach das!“, sagte Mia und nickte begeistert.

Zoe ging zurück zum Tresen, wo ihr Chef gerade einen cremigen Barista zubereitete.

„Papa“, flüsterte sie, „die Leute da drüben meinen, sie könnten unser WLAN reparieren.“

Geralt sah sie skeptisch über den Brillenrand an. „Meinst du, das ist 'ne gute Idee? Der letzte Techniker von Bambus Online hat’s letzte Woche eher verschlimm-bessert.“

„Ich glaube, die wissen, was sie tun. Das sind ITler, die sich mit sowas auskennen. Und ehrlich – schlimmer kann’s kaum werden.“

Geralt trocknete sich die Hände an einem Lappen ab, dann ging er mit seiner Tochter auf die Gruppe am Tisch zu.

„Also“, begann er mit verschränkten Armen, „Zoe sagt, ihr wollt unser WLAN reparieren?“, fragte er mit skeptischem Blick.

Mia nickte. „Ja, wir wollen es versuchen! Ich meine, wir wissen, was wir tun.“

Geralt ließ die Arme verschränkt. „Der letzte Techniker hat hier ein Chaos hinterlassen. Und jetzt haben wir diese verdammten Bambusleitungen ...“

Ben grinste. „Keine Sorge, wir sind besser als Bambus Online.“

Luke hob leicht die Hand. „Wir können uns das anschauen. Aber komplizierter könnte es trotzdem werden.“

Geralt sah genauer hin, seine Stirn glättete sich. „Moment mal … dich kenn ich doch. Luke, oder? Du warst doch früher oft mit deiner Mutter hier. Hast Bücher über Computer gelesen.“

Luke blinzelte kurz überrascht, dann erinnerte er sich zurück an diese Zeit: „Ähm.. ja, ja, stimmt, das war wohl ein Buch über Linux oder Netzwerke, meine ich. Damals war euer Internet noch besser als mein eigenes, und hier war es schön ruhig.“

Geralt erinnerte sich auch und überlegte laut: „Du hast dich ja echt entwickelt! Mensch, also dir vertraue ich den Router an, wenn du für deine Freunde bürgen kannst, dürft ihr es versuchen.“

Luke sah kurz zu Ben, erinnerte sich an den Kurzschluss vorhin, nickte dann aber. „Ja, ich bürge für sie.“

Geralt nickte langsam. „Na schön. Aber wenn es schlimmer wird, müsst ihr mir versprechen, dass ihr das wieder in Ordnung bringt.“

„Versprochen“, sagte Mia mit einem Lächeln. „Es kann nur besser werden.“

„Moment. Bevor ihr anfangt: Was kostet mich der Spaß?“ Geralt verschränkte die Arme. „Ich hab letzte Woche Bambus Online schon teuer bezahlt - und das Ergebnis war ein Totalschaden.“

Mia hob beschwichtigend die Hände, ihre Stimme warm. „Das ist absolut frustrierend, das verstehe ich. Keine Sorge, es wird dich kein Vermögen kosten, versprochen. Wir helfen nur gerne Leuten mit ihrer Technik. Und das hier ist nur WLAN, kein Herztransplantat.“

Geralt verzog skeptisch den Mund. „Kein Vermögen, ja. Aber nichts ist kostenlos. Also? Kaffee? Kuchen? Einen Gefallen? Irgendwas wollt ihr doch im Gegenzug.“

Mia nickte langsam, als hätte sie geahnt, dass die Frage kommt. „Okay. Wie wär's so: Wir machen erst mal unsere Arbeit. Wenn danach alles läuft und du zufrieden bist, sagst du selbst, was es dir wert ist. Fair?“

Geralt dachte kurz nach, dann entspannte sich seine Miene. „... Fair.“

Mia grinste. „Gut, dann lass uns mal dein WLAN retten.“

Ben zog einen kleinen Laptop aus seinem Rucksack und klappte ihn auf. „Also gut, sehen wir mal, womit wir arbeiten.“

„Viel Erfolg“, meinte Geralt trocken. „Wenn ihr’s schafft, spendiere ich euch einen Kaffee. Aber nur, wenn’s funktioniert!“

„Deal!“, grinste Mia.

Die Reparatur begann.

Ben tippte flink, während Luke sich in seine eigene Analyse vertiefte. Die Luft am Tisch war plötzlich konzentriert, wie bei einem Einsatz.

Zoe, die neugierig die Köpfe der beiden verfolgte, beugte sich etwas vor, die Hände am Tisch abgestützt. „Und … was macht ihr da genau?“

„Ich schau, ob ich ins WLAN rein komm“, murmelte Ben, dann hielt er inne. „Oh!“

„Was ist los?“, fragte Zoe besorgt.

Ben grinste. „Ich bin drin!“

„Das war ja schnell …“, wunderte sich Zoe.

„Naja“, schmunzelte er, „ihr habt das Passwort nicht geändert. ‘Username: Admin / Passwort: 123456’. Das ist wie ein offenes Scheunentor.“

Geralt, der hinter Zoe stehengeblieben war, stöhnte und rieb sich mit einer Hand übers Gesicht. „Peinlich. Aber Bambus Online ist nicht immer so schlecht … manchmal hat man einfach Pech mit dem Techniker.“

Ben hob kurz den Blick. „Ist auch nicht direkt deren Schuld. Aber Standardpasswörter sind wie ein Zettel mit ‚Bitte einbrechen‘ an der Haustür. Die sollte man immer ändern. Viele wissen’s nur nicht, oder trauen sich nicht ran.“

Zoe runzelte die Stirn. „Warum sagt einem das niemand?“

„Sollte man“, meinte Ben. „Aber es wird oft übersehen.“

„Kannst du das ändern?“, fragte Geralt schließlich.

„Klar.“ Ben drehte den Laptop zu ihm. „Hier, tipp ein Neues ein. Und schreib’s dir gleich auf – wir können das später ordentlich dokumentieren.“

Geralt griff nach einem Zettel und notierte das neue Passwort, ehe er es sorgfältig zusammenfaltete und in seine Hosentasche steckte.

„Und … warum ist das Passwort so entscheidend?“, hakte Zoe nach, während sie Geralt zusah.

Ben erklärte: „Wenn jemand das Passwort kennt, kann er auf euer Netzwerk zugreifen, es kontrollieren, mitlesen. Stell’s dir vor wie deinen Wohnungsschlüssel: Wenn jemand ihn kopiert hat, kann er jederzeit reinkommen, sich umsehen oder was mitnehmen. Und du merkst es nicht mal.“

Zoes Augen wurden groß. „Wow.“

Luke räusperte sich und deutete auf seine Konsole. „Ich hab mir das Netzwerk nebenbei mit Nmap angeschaut. Eure Firmware ist veraltet, ein paar Ports stehen offen und die Latenz hat ein paar Sekunden zu lange gebraucht.“

Geralt zog die Brauen zusammen. „Ports?“

„Wie Türen im Haus“, erklärte Luke nüchtern. „Wenn sie nicht richtig verriegelt sind, kann jeder reinspazieren.“

Mia nickte: „Da geht noch was in Sachen Sicherheit und die Latenz könnte mit den Verbindungsproblemen zusammenhängen.“

Ben schaute in die Runde. „Stimmt, bei der Latenz würde ich mir gerne die Hardware ansehen. Wo ist der Router?“

„Der hängt im Keller, da hinten links, die Treppe runter.“ Geralt deutete auf den Gang Richtung Gäste WC und Mitarbeiter Räumen.

„Ja, Treppen rollen kann ich noch nicht, gibt's ne Rampe?“ Ben überlegte, ob er vielleicht seinen Rollstuhl umbauen könnte, um eines Tages Treppen rollen zu können.

Geralt nickte langsam. „Draußen, alte Lieferantenzufahrt. Seit wir kein Gebäck mehr verkaufen, wird die kaum genutzt.“

„Und die Rampe hat auch schon bessere Tage gesehen …“, fügte Zoe hinzu und verdrehte die Augen.

„So viel zur Barrierefreiheit“, murmelte Ben und grinste schief.

Luke schob die Brille zurecht. „Mia und ich könnten runtergehen und dich per Video-Call mitnehmen. Dann hast du trotzdem alles im Blick.“

Ben überlegte kurz und nickte. „Ja, das könnte funktionieren.“

„Na dann“, meinte Mia, griff schon nach ihrem Rucksack. „Hoffentlich reißt das Netz unten nicht ab wie das WLAN hier“, sagte sie grinsend.

Während Luke und Mia sich ihre Ausrüstung schnappten, stand Zoe noch unschlüssig da und kaute auf ihrer Unterlippe, rang kurz mit sich und sagte dann zögernd:
„Soll ich euch … den Weg zeigen? Ich kenn den Keller besser. Und, äh … ich würd echt gern mal sehen, wie das läuft. Nur zuschauen, versprochen.“

Geralt sah sie prüfend an, die Arme locker verschränkt. „Lass das lieber die Profis machen.“

Zoe grinste, leicht verlegen, aber mit einem Funken Trotz. „Vielleicht werd ich ja auch mal eine.“

Mia lachte. „Na klar, komm. Wir erklären dir alles.“

Zoe atmete hörbar aus, erleichtert, und folgte ihnen. Sie blieb ein Stück hinter Mia, aufmerksam und still, mit diesem neugierigen Leuchten in den Augen – wie jemand, der zum ersten Mal spürt, dass er irgendwo dazugehört.

3. Im Keller – Router und andere Lebewesen

Die Tür zum Keller quietschte leise, als Zoe sie aufstieß. Ein kühler, leicht modriger Luftzug schlug den Dreien entgegen. Die Treppe war schmal, das Geländer alt und irgendwo tropfte Wasser im Rhythmus von Sekunden.

Luke scannte den Keller mit seinem analytischen Blick. Kartons stapelten sich neben alten, verstaubten Regalen, und an der rechten Wand hing ein vergilbter Router, dessen LEDs nur noch matt leuchteten, wie ein schwacher Herzschlag. Vom Router hingen ein paar alte Kabel, die an der Wand verliefen. Die Isolierung war teilweise aufgerissen und abgenutzt.

„Da hinten, an der Wand.“ Zoe zeigte, mit einem Anflug von Verlegenheit, auf den Router. „Ich weiß, das Ding hat schon bessere Tage gesehen. Aber mein Vater ist Oldschool: Wenn etwas noch halbwegs funktioniert, warum ersetzen? Selbst, wenn’s nur noch von Klebeband zusammengehalten wird.“ Sie schmunzelte, auch wenn dieser Pragmatismus sie oft genug in den Wahnsinn trieb, hatte der Charme vom alt Bewährten doch was für sich, auch wenn es sehr nervig werden konnte, es zu reparieren, statt einfach Geld auf das Problem zu werfen.

Mia versuchte trotz des schwachen Lichts an der Decke, das Bild für den Videocall mit Ben einigermaßen erkennbar zu halten. „Luke, Zoe, könnt ihr mal leuchten? Ich seh hier kaum was durch die Kamera.“ Bens Bild wurde Stück für Stück zu einem Pixelbrei dank des schlechten Empfangs. „Hallo..o? Kö..nn..t..t ihr m..ich ver..“ Das Audio des Videocalls wurde nun auch in Mitleidenschaft gezogen. „Das ist ja, als wären wir in der Bahn unterwegs und würden durch ein Funkloch fahren“, meinte Mia frustriert.

„Naja, dann müssen wir halt offline dokumentieren.“ Sie beendete den Videocall und machte ein paar Bilder vom Router.

Als Luke sich den Router genauer anschauen wollte, bemerkte er, dass die Kabel verdächtig abgekaut aussahen. „Moment mal ... Mia, schau mal, die Kabel ...”

Mia sah auch die abgekaute Isolierung der Kabel: „Shit! Habt ihr hier Ratten im Keller?"

„Oh Mist.. ähm.. nein, Ratten nicht, aber ich weiß glaub ich, wer das war..“ Zoe schaute sich im Raum um. „Wo seid ihr..? „Sie schaute zu den Kartons rüber.

„Wo ist wer, wen suchst du, Zoe?“, fragte Mia und versuchte, sich zusammenzureimen, was hier vor sich ging.

„Ahh! Bestimmt habt ihr euch hier versteckt!“ Zoe durchsuchte die Kartons.

In den Kartons bewegte sich etwas, Zoe griff entschlossen in eine Kiste und zog eine kleine Katze heraus. „Lilly! Da bist du ja.“

„Awww!“ Mias Stimme kippte gleich zwei Oktaven höher. „Die ist ja süüüß!“

Luke musterte das Tier, während er schon anfing, den Router im Kopf neu zu verkabeln. „Eine Katze. Im Keller. Neben den Kabeln.“

„Nicht nur eine.“ Zoe verzog das Gesicht, stellte Lilly sanft ab und aus den dunklen Ecken schlichen drei weitere Kätzchen hervor. „Ich konnte sie nicht draußen lassen. Sie waren allein. Mein Vater weiß nichts davon … Und ihr auch nicht, okay?“

Mia grinste verschwörerisch. „Dein Geheimnis ist sicher.“

„Wie heißen denn die Kleinen? Und wie alt sind sie?“

Zoe deutete nacheinander auf die Katzen. „Lilly kennt ihr ja schon, sie ist ungefähr ein Jahr alt.“ Die kleine Getigerte ließ sich entspannt auf den Arm nehmen und begann sofort, mit Zoes Finger zu spielen, als wollte sie ein Mäuschen jagen.

„Und das hier ist Tony.“ zeigte Zoe auf den nächsten Stubentiger. „So steht’s zumindest auf dem Halsband. Ich weiß nicht, wem er eigentlich gehört, aber seit er hier aufgetaucht ist, weicht er mir nicht mehr von der Seite. Ich schätze, er ist zweieinhalb, aber genau weiß ich es nicht.“ Tony war ein schlanker, schwarzer Kater mit wachen, grünen Augen, die jedes Geräusch sofort fixierten.

Die nächste Katze war ebenfalls schwarz, doch sie trug ein rotes, loses Geschenkband um den Hals. Es flatterte leicht, wenn sie sich bewegte, und gab ihren grünen Augen einen auffälligen Kontrast. „Hier, das ist Luna. Weiss auch nicht woher sie das Band hat... Aber sie mags. Sie ist ein bisschen aelter als Tony. Vielleicht Drei.“ Das Band diente Zoe nebenbei auch als einfache Methode, die beiden Schwarzen auseinanderzuhalten, wenn sie wieder wie kleine Schatten durch den Keller jagten.

Und zum Schluss hob Zoe eine ältere, tigergestreifte Katze hoch. „Und das hier ist Julchen, sie ist etwa 5 Jahre alt und ne echte Kratzbürste, aber sie passt auf die anderen auf.“ Sie wirkte, als hätte sie die Rolle der Mutter angenommen, und sie war die Erste, die zwischen die anderen Katzen sprang, sobald es in der Rasselbande zu wild wurde.

„Okay …“ Luke musterte die Truppe, dann den modrigen Keller. „Aber das hier ist keine gute Umgebung. Die brauchen ein sauberes Zuhause, sonst.. “

Weiter kam er nicht. Denn Lilly hatte schon wieder den Router ins Visier genommen und tappte zielstrebig auf die Kabel zu.

„Nein, Lilly, nicht schon wieder!“ Zoe rief ihr hinterher, doch Luke war schneller. Er hob die kleine Katze hoch, die sich schnurrend in seine Hand schmiegte, als wäre sie dort zuhause.

Luke seufzte, reichte Lilly an Mia weiter, griff nach seinem Multitool und begann, die Kabel zu prüfen. „Wir haben Glück im Unglück, Lilly hat das LAN Kabel sehr weit oben zerkaut und da das Kabel hier noch etwas länger ist, können wir das einfach kürzen. Ich brauche eine Zange, einen neuen RJ45 Stecker und das Tool, um den ans Kabel zu klemmen. Und eine Lösung, damit Lilly die Kabel nicht nochmal zerkaut. Ich geh mal eben nach oben und frag Ben, ob er die Tools in seiner Tasche dabei hat.“

Luke ging nach oben und erklärte Ben mit Bildern auf Mias Handy, was das Problem ist, ohne dass Geralt es mitbekam. Ben hatte glücklicherweise noch vom Homeserver-Projekt die passenden Tools in seiner Werkzeugtasche und gab diese Luke mit. Als Luke wieder im Keller ankam, fing er mit der Reparatur an.

Etwa eine Viertelstunde später waren die Kabel wieder wie neu und stabiler als zuvor, dank einer zusätzlichen Schicht Isolierband. Luke hatte das Kabel repariert, Mia hatte die Kabel mit und Isolierband und das Gehäuse mit Klebeband fixiert, und Zoe hielt die Katzen mit improvisierten Spielzeugen aus Pappstreifen und Bändern vom Router und den Kabeln fern.

„So. Provisorisch, aber funktional.“ Luke richtete sich auf. „Langfristig müsst ihr die Kabel austauschen. Und vielleicht ein Katzenschutzgitter montieren.“

Zoe atmete erleichtert auf. „Das ging schnell… danke. Bei Bambus Online hat’s ewig gedauert.“

4. Cappuccinos und Brownies

Wieder oben im Café, schlug ihnen ein wohliger Duft entgegen: frisch gemahlener Kaffee, warme Milch, ein Hauch von Schokolade. Die Kühle des Kellers wich der gemütlichen Wärme des Raums, in dem Stimmen durcheinander klangen und Geschirr leise klirrte.

Geralt stellte vier dampfende Cappuccinos und einen großen Teller Brownies auf ihren Tisch. Der Milchschaum bildete kleine Herzen, die bei jedem leichten Ruckeln der Tassen wackelten.

„Das habt ihr euch verdient,“ sagte er und stemmte die Hände in die Hüften. „Und... ganz ehrlich: Das war mir richtig viel Wert. Schaut euch die Leute an.“

„Wenn ich so drüber nachdenke, Bambus Online schickt mir seit Monaten Leute, und keiner hat’s repariert - die wollten mir alle nur neue Technik andrehen. Und Ihr seit die ersten, die es so reibungslos hinkriegen. Ich bin beeindruckt.“

Er nickte zu den Tischen: Die Gäste arbeiteten wieder, das Tippen der Tastaturen klang wie kleine Versprechen, dass der Tag doch noch gut werden konnte.
„Wenn die Kundschaft zufrieden ist, bin ich’s auch. Ich hab keine Ahnung, wie ihr das geschafft habt. Ihr habt mir heute echt den Laden gerettet. Sagt's was kann ich euch gutes tun?“

Mia grinste, griff sich sofort ein Stück Brownie und sprach mit vollem Mund. „Also … Wir suchen schon länger einen Ort, um zu arbeiten. Einen Space zum Basteln und Schrauben, naja … kreativ sein. Der Keller hier …“

„…wäre perfekt“, platzte Zoe heraus, ehe sie sich bremsen konnte. Sie spürte, wie ihr Vater sie ansah, und ruderte dann hastig zurück. „Ich mein - nur so als Idee. Der Keller steht eh voll mit Kisten, und wenn sie helfen, kriegst du endlich Ruhe mit dem WLAN.“
Sie lachte kurz, unsicher, aber das Leuchten in ihren Augen blieb.

Geralt sah sie lange an, dann ließ er den Blick über Luke und Mia wandern. Er wirkte hin- und hergerissen, doch seine Miene verriet auch eine gewisse Neugier. „Ihr meint also, ich bekomme stabile Technik … und ihr ein Labor im Keller?“

Luke hob die Hand, nüchtern wie immer. „Aber keine halben Sachen. Wenn wir’s machen, dann richtig: Kabel ordentlich legen, ein kleiner Switch, neues Material. Sonst bringt’s nichts. Denn eines muss man den Technikern von Bambus Online lassen – der Router unten hat seine besten Tage hinter sich. Ich hab das Problem fürs Erste behoben, aber es braucht eine langfristige Lösung.“

„Stimmt“, ergänzte Ben, während er sich ein Stück Brownie nahm. „Der Router hält sich nur noch mit Klebeband zusammen und die Kabel brauchen dringend ein Upgrade.“

Ein kurzes Schweigen, in dem man fast das Brummen der Espressomaschine hören konnte.

Dann schnaubte Geralt und schüttelte den Kopf, diesmal mit einem echten Lächeln. „Ihr seid mir schon ’ne Bande. Aber wisst ihr was? Abgemacht. Der Keller gehört euch. Mit einer Bedingung: Wenn’s wieder ausfällt, seid ihr die Ersten, die ich anrufe.“

Mia strahlte und streckte ihm die Hand hin. „Deal.“

Geralt schlug ein, kräftig und ohne Zögern. „Deal.“

Luke nippte an seinem Cappuccino. „Passt“, sagte er knapp – und nur Mia und Ben bemerkten das kleine, fast unsichtbare Lächeln, das ihm dabei entglitt.

Geralt schnappte sich ein leeres Tablett und nickte in Richtung Theke. „Dann haltet euer Versprechen – ich hab Gäste. Und ihr habt jetzt einen Keller.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und verschwand zwischen den Tischen, wo schon die nächsten Bestellungen warteten.

Sie hatten einen Ort.
Eine Vereinbarung.
Und ohne es zu ahnen, hatten sie gerade das Fundament gelegt für etwas, das weit größer werden würde, als ein paar Bastelstunden im Keller.

5. Talk after Deal

Die Spannung fiel von ihnen ab. Für ein paar Minuten gab es nur Brownies, Cappuccinos und ein Gefühl von: „Wir haben’s geschafft!“

„Also ehrlich,“ meinte Zoe und stützte das Kinn in die Hand. „Ihr wirkt so eingespielt … Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?“

„Schule,“ sagte Luke knapp.

Mia verdrehte die Augen. „Na toll, super spannend erzählt.“ Dann grinste sie und beugte sich zu Zoe. „Also, pass auf: Wir haben uns damals in der Schule zusammengefunden, eher zufällig. Luke war schon immer der Typ mit den komplizierten Formeln und Rechnern, Ben derjenige, der alles auseinander- und wieder zusammengebaut hat … Und ich hab halt gemerkt, dass man mit genug Überredungskunst überall reinkommt.“

„Und so ist das Team entstanden?“, fragte Zoe neugierig.

Ben nickte. „Irgendwie schon. Erst waren’s kleine Projekte: Alte Rechner zum Laufen bringen, Konsolen umbauen, Schulnetzwerke ein bisschen aufmischen. Wir haben mal aus PC-Lüftern eine Mini-Klimaanlage gebastelt.“

„Das klingt schon ziemlich professionell.“

„Professionell?“ Mia lachte. „Naja … Es war mehr Improvisation als alles andere. Aber irgendwie hat jeder von uns was reingebracht. Luke den Kopf, Ben die Hände … und ich die Social Skills.“

„Und seitdem …?“, hakte Zoe nach.

„Seitdem sind wir hängen geblieben,“ meinte Ben. „Immer neue Ideen, immer neue Projekte. Mal grandios, mal grandios gescheitert.“

Mia kicherte. „Oh, wie beim Kurzschluss.“

„Welcher Kurzschluss?“ Zoe sah sie erwartungsvoll an.

Mia grinste breit. „Na, heute Mittag. Wir wollten unseren Homeserver fertig machen … Und Ben meinte, er müsste unbedingt am Netzteil rumbasteln.“

Ben hob beschwichtigend die Hände. „Es war nur die blöde Sicherung die zu schnell rausflog.“

Luke atmete hörbar durch. „Ben wollte eine alte Sicherung aus einem Netzteil hebeln, während es noch am Strom hing.“ Er zeichnete mit dem Finger schematisch ein Rechteck auf den Tisch, als wäre es das Netzteil. „Und dann sprang sie auf einmal im hohen Bogen raus und landete genau da wo kontakte für die Stromversorgung lagen. Ergebnis: Kurzschluss. Sicherung raus. Komplettausfall.“

Ben lachte. „Hier das ist sie.“ Er holte stolz die kleine Sicherung aus der Hosentasche und zeigte sie Zoe.

„Und Lukes Gesicht,“ setzte Mia nach, „hättest du sehen müssen – als ob wir die Welt in die Luft gejagt hätten.“

Luke zuckte mit den Schultern. „Irgendwie war es auch lehrreich.“

„Lehrreich,“ wiederholte Mia mit einem Schmunzeln. „Das ist sein Codewort für: ‚Ich bring euch gleich um.‘“

Alle lachten, sogar Luke schob ein kaum merkliches Grinsen hinter seiner Tasse hervor. Für einen Moment war es warm, vertraut – wie eine Gruppe von Freunden, die sich endlich gefunden hatte.

Dann drehte Mia den Spieß um. „Und du, Zoe? Wir haben jetzt über uns geredet – aber was machst du eigentlich, wenn du nicht hier im Bit Brew arbeitest?“

Zoe zuckte kurz mit den Schultern, als wäre es eine beiläufige Frage, doch dann richtete sie sich etwas gerader auf und sagte. „Ich studiere Journalismus.“

„Journalismus?“ Ben hob überrascht die Augenbrauen. „Cool. Aber warum ausgerechnet das?“

Zoe drehte gedankenverloren ihren Löffel in der Tasse, bevor sie sagte: „Ich studiere Journalismus. Eigentlich, weil ich wissen will, wie man die Wahrheit findet - also wirklich findet, nicht nur drüber redet.“

Sie lächelte schief. „Aber an der Uni ist alles so theoretisch. Ihr macht das einfach. Ihr… zeigt, wie’s geht.“ Dann fügte sie hastig hinzu: „Ich mein, ich will jetzt nicht klugscheißen oder so - ich find’s nur faszinierend.“

Mia nickte zustimmend. „Klingt, als würdest du gern mehr Praxis sehen.“

„Ja.“ Zoes Blick wanderte zu den Laptops. „Ich glaub, von euch kann man mehr lernen als in manchen Seminaren.“

Luke reagierte sachlich, aber nicht unfreundlich: „Wenn du willst, können wir dir ein paar Basics zeigen - Sicherheit, Recherchetools, sowas.“

„Echt?“ Sie klang überrascht, dann fing sie sich. „Also … klar, gern. Nur, wenn’s euch nicht nervt.“

Mia grinste. „Klar, warum nicht. Wenn du Bock hast, kannst du mal wieder zuschauen.“

Zoe lächelte kurz . „Danke.“
Es war nur ein Wort, aber man hörte, dass es mehr bedeutete, als sie zeigen wollte.

6. Eilmeldung: Wohnblock

Gerade als das Gespräch in diesem warmen Schweigen hängen blieb, flackerte über der Theke der Fernseher auf. Ein grelles „Eilmeldung!“-Banner zog die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich.

„Soeben bekannt geworden,“ verkündete der Nachrichtensprecher, „der Wohnblock an der Weststraße soll verkauft werden. Käufer ist eine Investorengruppe, die bereits mehrere Immobilienprojekte in der Region betreut. Da es sich um ein soziales Bauprojekt handelt, muss die Gemeinde Bitstedt den Verkauf noch prüfen.“

Die Kamera blendete auf Aufnahmen aus der Fußgängerzone: Passanten, die von einem Reporter auf der Straße befragt wurden. Eine ältere Frau schüttelte den Kopf. „Die Mieten steigen doch sowieso schon. Wenn die Investoren das übernehmen, können wir uns hier bald nichts mehr leisten.“ Ein junger Mann mit Einkaufstüten ergänzte: „Wenn sie modernisieren, fliegen die alten Bewohner raus. Das ist doch immer dasselbe.“

Mia starrte den Bildschirm an, dann legte sie langsam das Brownie-Stück zurück auf den Teller. „Weststraße?“, fragte sie mit stockender Stimme.

Luke nickte knapp. „Ja, unser Block. Unser Zuhause.“

Ben rieb sich die Stirn. „Das darf doch nicht wahr sein…“

Die Wärme von eben zerbrach, als hätte jemand die Tasse mit Cappuccino gegen den Boden geschleudert.

Mia ballte die Faust. „Wenn die das wirklich durchdrücken …“ Ihre Stimme brach ab. Sie drehte sich zu Luke, suchte in seinen Augen nach einem Anker. „Wir müssen was tun! Hast du … irgendeine Idee?“

Luke nahm die Meldung auch sehr mit, allein der Gedanke, er könnte sein Zuhause verlieren, schien wie ein Alptraumszenario. Leider war das hier aber kein Alptraum, sondern die brutale Realität, in der seine Welt und sein Safespace bedroht wurden. Er wusste, dass er was tun musste, aber noch nicht was.. Er wollte dem Gefühl von Machtlosigkeit in seinem Bauch nicht noch mehr Raum geben und um zu verhindern, dass ihn seine Angst packte und übermannte, sah er nur einen Ausweg. Er brauchte einen Plan. Er brauchte die Sicherheit, die ihm diese Eilmeldung genommen hatte. In seinen Augen lag ein Glimmen, das verriet, dass in seinem Kopf längst Pläne abgewägt wurden, wie strategische Züge auf einem Schachbrett.

Er wandte sich kurz aus seiner Gedankenwelt um, um Mia ein Gefühl von Sicherheit zu geben: „Ich muss das erstmal sacken lassen, aber wir finden einen Weg.“

Für einen Moment war es still am Tisch, nur das Brummen der Espressomaschine füllte die Leere. Doch in dieser Stille wurde etwas geboren: ein unausgesprochenes Versprechen, dass sie nicht tatenlos zusehen würden.

Ende von Folge 1

Wow… was ein Ende, oder?

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